Wie – Sie mussten diesen Text zweimal lesen, um nicht nur Bahnhof zu verstehen? Wie oft müsste man ihn dann hören, um den Inhalt einigermaßen zu erfassen? Wenn Sie zunächst auch an Verständnislosigkeit gelitten haben, dann ist das bei diesem Text normal. Was ihm fehlt ist die Hörverständlichkeit.
Hörverständlichkeit meint die Aufbereitung von Informationen fürs Ohr. Denn da müssen die Informationen hinein und von dort aus in kürzester Zeit verarbeitet werden. Die Informationen werden mit bereits abgespeichertem Wissen und Erfahrungen verknüpft, in ein komplexes persönliches Wertesystem eingeordnet und dann an eine geeignete Stelle in unserem Gehirn abgelegt. Ein komplexer Vorgang, der in wenigen Millisekunden abläuft. Allein die Arbeitsschritte, die hier in vereinfachter Weise dargestellt sind, zeigen, welche Leistung unser Gehirn in kürzester Zeit bringen muss, um Dinge zu „verstehen“.
Obwohl diese Verarbeitungszeit sehr kurz ist, reicht sie aus, um einen inhaltlichen Abstand zwischen Sender und Empfänger einer Nachricht zu erzeugen. Das heißt, der Sender ist dem Empfänger mit der Information immer einen Tick voraus. In der Regel ist dieser Informationsabstand kein Problem. Denn in einem „normalen“ Gespräch entstehen natürliche „Verschnaufpausen“, z.B. wenn ein Gedanke zu Ende ist und der Sender seinen neuen Gedanken vorbereitet. In dieser „Denk- und Sprechpause“ kann der Empfänger die Information verarbeiten und den Sender wieder „einholen“.
Schwierig wird es, wenn der Sender keine Sprech- oder Denkpausen setzt und in einem Fluss redet - ohne Punkt und damit eben auch ohne Pause. Einem solchen Redefluss zu folgen ist schwierig und gelingt nur selten. Und wenn der Redefluss dazu noch schwer verdaubare Informationsstücke wie z.B. Fremdworte mit sich führt, geht der Gedanke beim Empfänger im wahrsten Sinne des Wortes unter.
Denn anders als in einem geschriebenen Text, kann der Empfänger bei einem Gespräch oder Interview in Hörfunk oder Fernsehen nicht nochmal zurückspringen, wenn er Informationen nicht gleich erfasst hat. Das Gespräch, das Interview läuft einfach weiter. Das gilt auch für den Bühnenvortrag.
Hörverständliches Sprechen ist sozusagen der Abstandsregeltempomat der Kommunikation. Es sorgt dafür, dass der Empfänger dem Sender in möglichst gleichbleibendem Abstand folgt. Hörverständliches Sprechen meint mündliches Sprechen, Sprechen wie man im Alltag spricht und nicht sprechen, wie man schreibt.
Gute Statementgeber und Referenten zeichnen sich dadurch aus, dass sie Dinge einfach ausdrücken können. Eine einfache Sprache hilft, Dinge besser zu hören, zu verarbeiten und zu verstehen. Hörverständliches Sprechen ist mündliches, einfaches Sprechen und es hat verschiedene Kennzeichen.
Unser Kurzzeitgedächtnis hat beim Zuhören eine Speicherkapazität von 7 bis maximal 14 Wörtern. (Erich Straßner, Sprachwissenschaftler). Das bedeutet, dass lange Schachtelsätze das Verstehen erschweren oder sogar verhindern. Mündliche Sprache besteht vornehmlich aus kurzen Sinneinheiten von selten mehr als 6 Wörtern (Nobert Gutenberg, die Neuigkeit ans Ende des Satzes). Im Satzbau finden sich mehr nebenordnende Satzverbindungen und Hauptsätze, weniger Relativsätze. Ein Beispiel: „Die in Budapest geborene Revütänzerin und Sängerin Marika Röckk, die heute zu den Spitzenstars der UFA gehört, feiert morgen Ihren 75. Geburtstag, bei dem zahlreiche Prominente wie z.B. Johannes Hesters und Dieter Thomas Heck zu Gast sein werden.“. Mündlich und damit hörverständlich würde man sagen: „Marika Röckk wird morgen 75 Jahre alt. Die Revütänzerin und Sängerin wurde in Budapest geboren und gehört heute zu den Spitzenstars der UFA. Zu Ihrem Geburtstag werden zahlreiche Prominente erwartet. Unter den Gästen sind auch Johannes Hesters und Dieter Thomas Heck.“
Fachchinesisch meint Fach- und Fremdwörter, die zwar in einer bestimmten Zielgruppe bekannt sind und dort einfach und ohne Probleme verarbeitet und verstanden werden können. Hat man allerdings eine inhomogene, breite, unbekannte Gruppe von Zuhörern vor sich, sollte man solches Fachchinesisch vermeiden. Es könnte zum Hindernis werden. Und wenn man sich ehrlich hinterfragt, dann geht es oft auch ohne Fremdwort. Statt „Sie haben eine prolongierte Mutation“, könnte ein Arzt auch einfach sagen: „Ihr Stimmbruch ist noch nicht abgeschlossen“.
Die folgende Grafik macht deutlich, was mit der Aufmerksamkeit von Fernsehzuschauern passiert, wenn man als Interviewgast ein unbekanntes Fremdwort verwendet.
Quelle: Das journalistische Interview, Ulrich Schwinges und Jürgen Friedrichs
Dadurch, dass sich der Zuschauer zunächst mit dem schwer verdaubaren Fremdwort beschäftigen, es übersetzen, zerlegen und abspeichern muss, geht Aufmerksamkeit für den weiteren Interviewverlauf verloren. Bis die Aufmerksamkeit für das Interview wieder steigt, sind eventuell schon wichtige Informationen am Zuschauer vorbeigelaufen, ohne, dass dieser sie bemerkt, geschweige denn wahrgenommen und verstanden hat.
Imponiervokabel meint ein Wort, das künstlich komplexer gemacht wird, ohne deshalb tatsächlich mehr Inhalt zu bekommen. Diese aufgeblähten Wörter haben oft mehr Silben. Und je mehr Silben ein Wort hat, umso mehr Leistung muss unser Gehirn darauf verwenden, es zu transportieren. Klassische Imponiervokabeln sind z.B. Fragestellung statt Frage, Thematik statt Thema, Zielsetzung statt Ziel. Und wenn man es auf die Spitze treiben will, dann wird der einfache Kreis zur Kurvatur der Linie.
Eine Krankheit unserer modernen Sprache sind die Anglizismen, die sich langsam aber sicher in unsere Sprache einnisten. Dieses Denglisch gehört auch zu den Hindernissen in der Informationsverarbeitung. Sicher, manches Wort ist schon so gebräuchlich, dass es schwer fällt, überhaupt einen deutschen Begriff dafür zu finden. Wenn sich im Statement eines deutschen Managers allerdings nur noch denglische Begriffe wiederfinden, die ein deutsches Gehirn nach wie vor in seine Muttersprache übersetzen muss, geht Inhalt verloren. Ein Beispiel: „Als der CEO im Management-Meeting von dem Merger erzählte, schlossen sich die Manager zwei Tage lang ein, um über das Rollout der neuen Companystruktur zu brainstormen.“ Warum nicht so? „Als der Vorstandsvorsitzende bei einem Führungskräfte-Treffen von der Fusion erzählte, schlossen sich die Führungskräfte zwei Tage lang ein, um gemeinsam über die Einführung der neuen Unternehmensstruktur nachzudenken.“
Während Wiederholungen von Wörtern und Begriffen einen Schrifttext zergliedern können, lebt die mündliche Sprache von der Wiederholung. Wiederholung erzeugt Verstärkung und sorgt dafür, dass Informationen einfacher verarbeitet werden. Dabei dürfen wichtige Begriffe innerhalb eines Statements durchaus öfter verwendet werden. Wichtig ist dabei nur, immer mit dem gleichen zentralen Begriff zu arbeiten und nicht zu variieren.
Her mit den Verben, weg mit den Substantiven. Mündliche Sprache nutzt Verben, um sich auszudrücken. Verben sind Tun-Wörter, die eine Sprache lebendig, beweglich und aktiv gestalten. Besonders in geschriebene Statements und Vorträgen finden sich gerne Substantive, die das Verb ersetzen. In einen Schrifttext kann unser Gehirn solche sperrigen Substantivierungen verarbeiten, in dem wir die Textpassage oder das Wort nochmals lesen. In einem Live-Interview oder einem Fernseh- oder Radiobeitrag kann der Zuschauer oder Zuhörer nicht nochmal „zurückspulen“. Er muss folgen, auch wenn er noch an dem sperrigen Substantiv „kaut“. So stolpert ein Zuschauer vermutlich auch bei folgender Aussage des Nachrichtensprechers: „Die metereologischen Umwelteinflüsse sind ein generelles Thema der Bevölkerung.“ Besser verstehen würden wir, wenn der Sprecher einfach nur sagt: „Alle reden vom Wetter“.
Hörverständliches Sprechen ist also das A und O, damit eine Botschaft nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird. Und das Rezept dazu kannte bereits der Französische Dichter und Denker Jean Couteau:
Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen – nicht umgekehrt.
Kathrin Adamski
Hier finden Sie den Text dieser Seite zum Herunterladen und Ausdrucken.
Download
(PDF 299KB)