Journalisten fragen - Politiker antworten nicht. Für das Publikum sind die Null-Aussagen nervig, selten jedoch höchst amüsant. Letztere Variante schaffte es jüngst in die Liga der viralen Social-Media-Hits. Das vierminütige Video zeigt sehr eindrucksvoll, wie übel dieses politische Spielchen für die Akteure ausgehen kann. Dabei gibt es deutlich effektivere Alternativen zum Wiederholen sinnfreier Polit-Floskeln.
Bernhard Messer, 24.07.2023
Kurioses Fernsehinterview als viraler Hit im Internet. Knapp vier Minuten drückte sich Philipp da Cunha, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD Mecklenburg-Vorpommern vor einer konkreten Antwort. NDR-Mann Klaus Göbel stellte zehnmal die Frage nach den Kosten des vergangenen SPD-Bürgerforums. Pikant dabei: die Veranstaltung fand im Hotel statt, das dem Ehemann der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden gehört.
Bildquelle: Screenshot nordmagazin
Dem NDR-Nordmagazin gelang Anfang Juli 2023 die Höchststrafe für sinnfreie Antworten und schredderte den Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern mit seiner eigenen Gebetsmühle. Die Reporterfrage an Philipp da Cunha lautete, wie teuer das vergangene Bürgerforum der SPD-Landtagsfraktion war. Zehnmal stellte sie der NDR-Reporter und immer wurde er mit einer einzigen vorgefertigten Antwort abgespeist.
Es kommt durchaus vor, dass in Medieninterviews Zahlen oder Fakten entweder nicht bekannt sind oder nicht genannt werden dürfen. Zwei Möglichkeiten gibt es, um solche Situationen zu meistern. Sie sind eindeutig besser, als vier Minuten lang im Interview Nebelkerzen abzubrennen: 1. Entweder man sagt ein Interview nicht zu oder 2. man wendet im Interview die Exit-Technik an.
Üblicherweise wird vorab das Ziel geklärt: Warum interessiert sich ein Sender für eine Veranstaltung mit ca. 250 Personen, die die SPD seit 15 Jahren im Land durchführt? Wenn Steuergelder eine Rolle spielen und der Verdacht der Vorteilsnahme besteht, werden Redaktionen häufig mit schriftlichen Antworten auf ihre Fragen abgespeist. Diese Lösung wäre im Fall der mecklenburgischen SPD keine gute Idee. Denn Verdachtsberichterstattung birgt immer den Keim der Krise. Für diejenigen, die einen Vertrauensschaden vermeiden wollen, ist Mauern oder Ignoranz ein schlechter Ansatz. Zur Prognose für die öffentliche Wirkung gibt es in diesem Zusammenhang zwei Faustregeln:
Auch die bessere Alternative hat ihre Tücken. Wer auf Offenheit und Transparenz setzt, ist mit einem Interview nicht automatisch aus dem Schneider. Entscheidend ist eine professionelle Vorbereitung. Meistens wird die Richtung der Interviewfragen im Vorgespräch geklärt. Wird man dennoch vor laufender Kamera überrascht, muss man die Technik beherrschen, um ein Interview konstruktiv und konsequent zu beenden.
Für das Publikum ist es in Ordnung, wenn Interviewpartner:innen eine Antwort
Bitter für da Cunha: Am Tag nach dem desaströsen Interview lieferte die SPD die konkrete Zahl: knapp 60 Euro pro Person kostete die Bürgerveranstaltung im Hotel, das dem Ehegatten einer SPD-Landtagsabgeordneten gehört.
Im übrigen handelt es sich bei dem Kommunikationsunfall mit der Gebetsmühlentechnik nicht um einen Einzelfall. Schlecht ging es 2015 für den Pressesprecher des sächsischen Innenministeriums, Martin Strunden, aus.
Auf unterschiedliche Fragen zur Kritik an dem schwachen Engagement der Polizei im Kampf gegen rassistische Hass-Postings antwortete er mit nahezu identischen, wenig überzeugenden Sätzen.
Womit Strunden offensichtlich nicht gerechnet hatte: Der MDR stellte die Langversion ins Internet.
Nach diesem verunglückten Interview endete seine Tätigkeit als Pressesprecher im sächsischen Innenministerium.
Mehr zum Strunden-Interview lesen Sie hier: https://www.kom.de/medien/es-ist-besorgniserregend/.
Das Interview mit Philipp da Cunha gibt´s zum Anschauen hier in der NDR-Mediathek.
Der BMTD ist unabhängig, überparteilich und ausschließlich der professionellen Kommunikation verpflichtet. Die Auswahl der Interviewpartner und ihrer Zitate sowie die entsprechenden Bewertungen erfolgen ausschließlich nach den BMTD-Empfehlungen für einen erfolgreichen Auftritt und sind deswegen kein Ausdruck einer politischen Richtung.
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