Live-Schalten souverän meistern


Live-Schalten sind für Gesprächspartner die hohe Kunst des Fernsehinterviews. Bei keiner anderen Interviewform können mehr Unwägbarkeiten auftreten und dem Fachmann oder der Fachfrau vor der Kamera das Antworten schwer machen.

So gibt es keinen Interviewer, den er oder sie direkt ins Gesicht schauen kann - nur das "schwarze Loch" der Kamera. Fragen kommen über einen Knopf im Ohr, der bei Wärme rutscht, bei Kälte spannt und überhaupt ständig rauscht, zu laut oder zu leise ist. Auch die Umgebung bei Live-Schalten ist meist ablenkend: hinter, neben oder direkt im Blickwinkel des Gesprächspartners vor der Kamera bewegen sich Menschen oder Autos, dazu hören sie überraschende und mitunter sehr laute Geräusche.

Tipps vom Medientrainer für Live-Schalten Hier fünf Tipps vom Medientrainer für gelungene Live-Schalten:

1. Optik selbst kontrollieren

Wie immer beim Fernsehen kommt es auch bei einer Live-Schalte auf das Aussehen an: 75 Prozent Optik, der Rest Ton und Inhalt lautet die bekannte Regel. Für Sie als Gesprächspartner vor der Kamera heißt das: Genauso wie im Studio muss Ihre Krawatte sitzen, sollte Ihr Haar nicht wild durcheinander liegen, dürfen Ihre Nase und Stirnpartie nicht glänzen. Im Studio gibt es dafür eine Maskenbilderin und eine Garderobiere. Bei Live-Schalten müssen Sie sich selbst darum kümmern, weil höchstens ein Aufnahmeleiter vor Ort ist und der meist nur unwillig die Arbeit fremder Gewerke verrichtet. Heißt also: Achten Sie bitte selbst auf ihre Garderobe und Frisur! Pudern Sie sich bei Bedarf auch selbst - bitte unbedingt auch die Herren! Denn nichts lenkt den Zuschauer mehr ab, als eine speckig glänzende Stirn- oder Nasenpartie. Fast immer hat das Kamerateam einen Monitor dabei, in dem Sie Ihr Aussehen checken können. Fürs Pudern bitten Sie den Kameramann, dass er das Kopflicht auf der Kamera bzw. die externe Lampe schon mal anschaltet. Dann sehen Sie auch ganz deutlich, was da alles glänzt.

Achtung: Falls schon eine Verbindung zum Sender besteht, dann können alle Leute in der Senderegie ihre Schminkarie auf diversen Monitoren beobachten. Vermeiden Sie also Grimassen oder Posen, die Ihnen später peinlich sein könnten!

2. Auf Worte und Mikro achten

Sobald Ihnen das Mikrofon in die Hand gedrückt wird, müssen Sie davon ausgehen, dass Sie zu hören sind. Nicht nur im Ü-Wagen, sondern auch in der Senderegie. Achten Sie deshalb auf das, was Sie vor einer Schalte sagen! Nicht, dass Sie sich vor Zeugen um Kopf und Kragen reden oder zumindest "dummes Zeugs". Es könnte Ihnen später peinlich sein. Fragen Sie immer den Tonmann vor Ort, wer wann Ihre Aussagen hören kann. Und geben Sie ihm nach dem Tontest das Mikro am besten bis zur Live-Schalte zurück. Dann sind Sie raus aus dem "tonlichen Überwachungsfeld" und Sie können das teure Mikro auch nicht mehr fallen lassen. Falls der Tonassistent Ihnen ein Ansteckmikro ans Revers heftet, dann halten Sie dieses bei Bedarf zu, wenn Sie vor Ort etwas sagen wollen, das im Sender niemand hören soll. Falls die Blase vor der Schalte noch mal drückt, dann bitten Sie den Tonmann unbedingt, das "Mäuschen" auszuschalten. Sonst wird spätestens die Toilettenspülung in der Senderegie für Heiterkeit sorgen.

3. Kampf mit Knopf im Ohr

Der Knopf im Ohr, die so genannte "N-minus-eins-Leitung"(Summe des Sendetons ohne Ihre Sprecherstimme), ist der einzige direkte Kontakt ins Studio und in die Senderegie. Über diesen Knopf können Sie als Schaltpartner die Fragen des Moderators hören oder die Anweisungen der Regisseurin/Bildmischerin. Meist bietet diese Leitung allerdings alles andere als einen klaren Ton. Sie rauscht, sie ist verzerrt und unverständlich. Im schlimmsten Fall hat sie einen Nachhall. Dann hören Sie während Sie sprechen das eben von Ihnen Gesagte mit einer Verzögerung. Ein klaren Gedanken können Sie dann kaum noch fassen.

Heißt: Sie müssen vor der Live-Schalte die Ton-Probleme mit dem Knopf im Ohr lösen! Akzeptieren Sie die schlechte Qualität einfach nicht! Fragen Sie nach, ob tonlich nicht noch was zu machen ist! Die Techniker im Ü-Wagen und der Tonassistent vor Ort werden dann hoffentlich ihr Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen. Denn wenn Sie die Fragen aus dem Studio oder die Anweisungen aus der Regie nicht klar und deutlich verstehen, dann kann die Live-Schalte nicht klappen. Dann wird sie ein Blindflug!

Lassen Sie sich auch vom Tonassistenten den Lautstärkeregler am Sender ihre Mikros zeigen. Dieser wird Ihnen meist an den Hosenbund geheftet. Probieren Sie aus, wie Sie den Regler laut und leise regeln können! So haben Sie während der Schalte die Möglichkeit, eventuelle Störgeräusche im Ohr unauffällig leise zu drehen. Das ist besser, als sich den Knopf während der Schalte aus dem Ohr zu reißen. Dann wird es nämlich auch für die Zuschauer ersichtlich, dass es irgendwelche Tonprobleme gibt.

Achten Sie auch darauf, dass das Kabel zwischen Sender und Knopf im Ohr nicht zu straff ist, dass Sie Spielraum haben und sich bewegen können. Denn auch das Gefühl, sich nicht bewegen zu können, trägt nicht zu einer guten Live-Schalte bei. Ihren Kopf- und Nackenbereich müssen Sie natürlich bewegen können. Künstlich steif halten wäre für Sie umkomfortabel und verhindert Ihr natürliches Auftreten.

4. Vorabsprachen mit Moderator

Egal, wie knapp die Zeit bis zur Live-Schalte ist, ein kurzes Vorgespräch mit dem Moderator im Studio muss möglich sein. Dringen Sie bei der Tonprobe mit der Senderegie darauf! Ansonsten können Sie vom Auftreten und den Fragen des Moderators kalt erwischt werden. Dabei geht es vor allem darum, einen Kontakt herzustellen. Sie sollten die Stimme schon mal gehört haben, das ein oder andere Wort mit dem Moderator schon gewechselt haben. Fragen Sie ihn bei dieser Gelegenheit auch, was er alles fragen will. Er wird Ihnen dann zumindest eine Richtung seiner Fragen vorgeben. Und Sie können sich darauf einstellen, was Sie in welcher Reihenfolge sagen und welche Kernaussagen Sie platzieren wollen. Solch eine Vorsprache nimmt meist nur zwei, drei Minuten in Anspruch. Sie gibt Ihnen aber mehr Sicherheit!

5. Kurz vor und während der Live-Schalte

Wenn Sie merken, die Aufregung steigt langsam hoch, dann machen Sie sich bewusst, Lampenfieber ist ganz normal. Es steigert Ihre Aufmerksamkeit und wird von außen gar nicht so schlimm gesehen, wie Sie es empfinden. Versuchen Sie auf Ihre Atmung zu achten! Tiefes Durchatmen wirkt meist Wunder. Ansonsten konzentrieren Sie sich auf die Ansagen im Ohr und wenden Sie nicht den Blick vom Objektiv der Kamera ab. Diese "schwarze Loch" ist das Augenpaar Ihres Gegenübers, auch wenn es nicht zwinkert und keinerlei Reaktion zeigt. Für die Zeit der Live-Schalte blenden Sie die Welt drumherum möglichst völlig aus. Schauen Sie nicht zum Kameramann, nicht zum Tonassistenten, zu keinem Passanten oder sonst wem in Ihrem Umfeld! Konzentrieren Sie sich nur auf das Gespräch mit dem Moderator.

Antworten Sie so natürlich und so prägnant wie möglich! Falls Sie der Moderator unterbricht, dann nehmen Sie es nicht persönlich. Dann geht es meist nur um die knappe Schalt-Zeit oder um einen konkreteren Gesprächsverlauf. Akzeptieren Sie deshalb die Gesprächsführung des Moderators. Wie lange die geplante Schalte dauert und ob diese Zeit eingehalten wird, das ist nicht Ihr Problem, sondern das des Mannes oder der Frau im Studio. Zur Verabschiedung ist ein Lächeln und leichtes Nicken meist besser, als eine Verabschiedungsformel. Denn wenn diese von der Senderegie und dem Moderator nicht eingeplant ist, kann sie wie ein Tonfehler wirken.

Autor

BMTD

Daniel Baumbach

Kontakt: www.medienspezialist.com

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