Die Top-Manager*innen deutscher Konzerne stehen immer häufiger vor der Kamera. Die Bandbreite der Themen ist groß:
Ein Statement zu Russlands Krieg gegen die Ukraine, ein Interview mit Jahresrück- und ausblick, ein Video als Dankeschön an die Belegschaft.
Die Ergebnisse fallen sehr unterschiedlich aus, wie die BMTD-Jury des CEO Digital Video Index im zweiten Jahr des Index ermittelt hat.
Die siebenköpfige Jury analysierte Videos der Dax-40-CEOs aus dem Kalenderjahr 2022. Als Quellen wurden die Kanäle Youtube, LinkedIn, Xing,
Facebook, Instagram, Twitter und TikTok berücksichtigt.
Die Jury beurteilte die drei Ebenen der Kommunikation – visuell, akustisch und inhaltlich.
Leitfragen waren zum Beispiel:
Diese Erfolgsfaktoren vor der Kamera hat die Jury des BMTD auf Basis eines wissenschaftlich fundierten Analyserasters bewertet. And the winner 2022 is…
Nur 6 CEOs wirken in ihren Videos natürlich und
nicht gekünstelt
>> Besser „fast-perfekt-echt“ als „perfektschlecht“:
Stellen Sie sich vor, Sie würden nicht in eine Kamera sprechen, sondern sich mit einem oder mehreren netten Menschen unterhalten. Sprechen Sie frei – das Ablesen von Texten vom Teleprompter oder Manuskripten überzeugt nicht und wirkt wenig engagiert. Lassen Sie Gefühle zu und zeigen Sie diese: z. B. Freude bei guten Ergebnissen, Sorgen bei ambitionierten Rahmenbedingungen, Bedauern bei Fehlern.
Lediglich in der Hälfte aller Videos nahm die Jury
eine klare Botschaft wahr
>> Weniger wirkt mehr:
Definieren Sie zunächst, was Sie mit Ihrem Video erreichen wollen. Dann kommunizieren Sie nur Fakten, Geschichten und Metaphern, die auf dieses definierte Ziel einzahlen. Sorgen Sie für Bilder im Kopf – alles andere lassen Sie weg.
In den meisten Videos war keine bewusst gestaltete
Inszenierung oder Dramaturgie erkennbar
>> Attraktiv wirkt effektiv:
Sorgen Sie für Spannung und Höhepunkte: mit Gegenständen und wechselnden Bildhintergründen. Mit Irritation und Provokation. Mit dem Wechsel von laut und leise, schnell und langsam. Mit Schnittbildern und Videoeinspielern. Mit Fotos und Illustrationen. Mit Pausen, mit Dialog und einem pointierten Schluss. Im Zeitalter des Info-Overflow bewirken Sie sonst kaum etwas in den Herzen und Hirnen des Publikums.
Nur 8 CEOs nutzen Storytelling
oder Ich-Botschaften
>> Lassen Sie ihr
Publikum mitfühlen:
Fast alle Unternehmen behaupten innovativ, nachhaltig, kundenfreundlich etc. zu sein. Erwecken Sie diese Adjektive zum Leben – mit Geschichten, die Sie selbst erlebt haben. Damit beweisen Sie Ihre Alleinstellungsmerkmale, kein Konkurrent kann sie glaubwürdig kopieren. Ein weiterer Vorteil: Selbst erlebte Geschichten sind tief im Gehirn verankert und einfach abrufbar. Das wirkt sehr positiv auf Ihre Mimik, Gestik und Sprechweise.
Die meisten CEOs präsentieren
relativ gleichförmig
>> Variieren Sie Körpersprache
und Stimme:
Üben Sie, aus der persönlichen Präsentationsroutine auszubrechen. Wechseln Sie Ihre Körperhaltung und -position. Variieren Sie Mimik, Gestik, Lautstärke, Sprechtempo und Sprachmelodie.
9 von 10 CEOs können die
Ruhehaltung ihrer Hände
verbessern
>> In der Ruhe liegt
viel Kraft:
Aneinanderreiben der Hände, angespannte Fäuste oder Knibbeln einzelner Finger werden fast immer als nervös oder unsicher gewertet. Und das pastorale Verschränken der Finger wirkt meist steif. Üben Sie für ruhige Präsentationsphasen und Pausen eine gut wirkende Position Ihrer Hände.
Nur einer von drei CEOs
spricht leicht verständlich
>> Gesprochene
Sprache ist anders als
geschriebene:
Gesprochene Sätze unterscheiden sich fundamental von geschliffener Schriftsprache. Letztere wird jedoch von den meisten der CEOs genutzt – das kann nur künstlich wirken und ist sowohl für Präsentierende als auch Zuhörende anstrengend. Ein weiterer Grund, nicht vom Teleprompter oder Manuskript abzulesen.
Nur 13 CEOs trugen eine
Krawatte
>> „Verpackung“ muss
zum Inhalt passen:
Je nach Anlass, Publikum und Präsentationsziel kann ein gutsitzendes Kostüm (unter den DAX-40-CEOs gab es 2022 zwei Frauen) oder ein Anzug mit Krawatte sehr zielführend sein. Oder bewusst auch nicht – beispielsweise, wenn es darum geht, Nähe oder Veränderungsnotwendigkeit zu zeigen: So gab es vergangenes Jahr einen CEO im Neoprenanzug (Herbert Diess, VW), dieses Jahr mit Roland Busch von Siemens einen CEO im T-Shirt.
35 der DAX-40-CEOs posten
Videos via Social Media
>> Bewegtbild bewegt:
In Videos werden Inhalte durch die Art zu sprechen und durch nonverbale Kommunikation viel eingängiger und glaubwürdiger transportiert als mit Texten. Fast alle DAX- 40-CEOs haben das erkannt – man muss kein Konzernchef sein, um die Möglichkeiten digital verbreiteter Videos zu nutzen.
Über 94 Prozent der meist
betrachteten DAX-40-CEOVideos
sind auf LinkedIn
und YouTube
>> Setzen Sie sich ins
Bild:
20 der meist betrachteten Videos waren im Jahr 2022 auf LinkedIn, 12 auf YouTube. Folglich muss man heute nicht viele Social-Media-Kanäle durchsuchen, um einen Eindruck von CEOs zu erhalten. Wer den digitalen Dialog mit ihnen aufnehmen möchte, ist ebenfalls gut beraten, diese Kanäle zu nutzen.
Die BMTD-Jury hat über 18 Monate die konzeptionellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für den CEO Digital Video Index geschaffen. Unter anderem initiierte sie eine Meta-Studie mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu Erfolgsfaktoren vor der Kamera.
Weitere, wissenschaftliche Unterstützung kam von Prof. Oliver Niebuhr von der Universität Süddänemark. Niebuhr und sein Team setzen einen Algorithmus ein, der wie ein „Durchschnitts-Ohr“ die akustischen Leistungen der CEOs wahrnimmt. Er bewertet Aspekte wie Sprechtempo, Tonhöhe, Länge der Sätze, besondere Betonungen und Pausen.
In Summe wertet die Jury des BMTD 16 Kriterien anhand des Analyse-Rasters aus.
Über das Ranking hinaus gibt die Jury im individuellen Feedback an die CEOs wertvolle Hinweise für einen professionellen Auftritt vor Mikrofon und Kamera.