„Recht haben wollen – oder die Welt verändern?“
Robert Habeck im Tagesthemen-Interview


Der Fall Graichen, Vetternwirtschaft im Ministerium, Chaos beim Heizungsgesetz – da muss der Verantwortliche Klarheit reinbringen. Zum Beispiel in einem Interview in den Tagesthemen. Doch da patzt Wirtschaftsminister Habeck.

Stefan Korol, 15.05.2023


Bildquelle: Screenshot YouTube

Drei Dinge braucht es, um im Fernsehen, in Interviews, in der Öffentlichkeit „gut rüberzukommen“: eine positive Botschaft, eine einfache Sprache, ein erkennbares Kommunikations-Ziel. Im Medientraining, und damit auch in der Auswertung eines Interviews, werden daraus drei Kriterien: WAS sagt der Interviewpartner, WIE sagt er es und WARUM sagt er es? Die Analyse anhand dieser drei Kriterien zeigt, dass Habeck in seinem Tagesthemen-Interview viele Chancen nicht genutzt hat:


WAS sagt Habeck? „Ich will nicht, dass verschiedene Dinge miteinander vermengt werden.“ – „Die Opposition arbeitet mit Lügen, Unterstellungen, Böswilligkeit.“ – „Einen Mitarbeiter zu entlassen, das gibt die Sache nicht her.“ Das alles sind Reaktionen auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, und Habeck beißt sich daran fest. Er argumentiert, streitet sie ab, findet sie „verwerflich“, beklagt die „negative politische Kultur“. Übertrieben formuliert: Habeck weint sich darüber aus, wie schlecht die Welt um ihn herum ist. Er ist gefangen in seinem Selbstmitleid, sieht und nutzt nicht die Chance, dem Interview eine neue Richtung zu geben: Weg von den Vorwürfen – hin zu positiven und für seine Arbeit werbenden Botschaften. Wie zum Beispiel: „Wir müssen schnellstens raus aus Öl- und Gasheizungen, denn die beschleunigen den Klimawandel!“ – „Ja, das war eine falsche Entscheidung. Deswegen wird die Stelle jetzt neu ausgeschrieben und besetzt.“ – „Ich werde alles dafür tun, damit dieser Fehler sich nicht auf unsere politische Arbeit auswirkt.“

WIE sagt er es? Habeck macht lange, verschachtelte Sätze; bringt Aufzählungen, Reihungen von gleichwertigen Informationen; spricht in einer gleichbleibenden, hektisch wirkenden Sprachmelodie ohne Betonungen; er macht keine Pausen, auch nicht am Satzende. Eindruck: Habeck ist aufgeregt, verärgert, gibt seine Antworten spontan aus dem Bauch heraus. Ihm scheint es darum zu gehen, sich Dinge von der Seele zu reden – egal, ob diese Sätze dann auch verstanden werden.
Für die Zuschauer und damit auch für Habeck selbst wäre es besser gewesen, die von ihm kritisierte „Vermengung von Themen“ zu entflechten. Das aber geht eben nicht spontan, sondern muss vorbereitet werden: Welche Themen werden hier vermengt, wie kann ich die einzelnen Themen voneinander abgrenzen, was will ich zu jedem Thema sagen? Inhalte gliedern, strukturieren, vereinfachen – der Tipp steht doch in jedem „Handbuch für Führungskräfte“. Und diese eigene, innere Klarheit wirkt sich dann eben auch auf das WIE aus: Die Sätze werden kürzer, die Inhalte verständlicher, das Wichtige unterscheidet sich hörbar vom weniger Wichtigen. Das bringt Ruhe, Sicherheit. Führung.

WARUM sagt er es? Habecks Interview-Ziel ist ebenso wenig klar, wie es seine Antworten sind. Am wahrscheinlichsten ist: Sein Interview-Ziel ist es zu beweisen, dass er der Gute ist und die anderen die Bösen; dass er Recht hat und die anderen eben nicht. Dafür aber braucht es Argumente, Erläuterungen, Hintergrund-Wissen – viel Zeit also, die es vielleicht auf dem Parteitag gibt, in der Fraktionssitzung. Aber nicht in einem 6-Minuten-Interview, nicht in 30-Sekunden-Antworten.
Wie aber hätte Habeck ein für sein Interview passendes Ziel finden können? Indem er eine Antwort findet auf die Frage: Was soll nach meinem Interview anders sein, als vor dem Interview? Hier einige Beispiele möglicher Antworten und damit möglicher Interview-Ziele: „Nach dem Interview verstehen mehr Mensch das geplante Heizungs-Gesetz und sie erkennen, dass es gut ist für das Klima.“ Oder: „Nach dem Interview haben mehr Menschen Verständnis dafür, dass auch ein Wirtschaftsminister Fehler macht und er auch eine Chance haben muss, diesen Fehler zu korrigieren.“ Oder: „Nach dem Interview sagen mehr Menschen: „Ja, Habecks Klimapolitik ist schon heftig – aber wir müssen halt jetzt endlich die Klimawende angehen.“

Das WARUM vorher zu klären, ist für den Erfolg des Interviews entscheidend. Und, kleiner Nebeneffekt: Mit einem klar definierten WARUM ergeben sich das WAS und das WIE fast von allein.


Das Interview gibt´s hier zum Anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=HwBqpDccMWU

Der BMTD ist unabhängig, überparteilich und ausschließlich der professionellen Kommunikation verpflichtet. Die Auswahl der Interviewpartner und ihrer Zitate sowie die entsprechenden Bewertungen erfolgen ausschließlich nach den BMTD-Empfehlungen für einen erfolgreichen Auftritt und sind deswegen kein Ausdruck einer politischen Richtung.

Autor

BMTD

Prof. Stefan Korol

Kontakt: www.medientraining.info

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