Tschentschers verpasste Chancen


Wie Hamburgs Erster Bürgermeister fünf wertvolle Minuten verschenkt

Dr. Katrin Prüfig, 06.01.2021

Es sind die letzten Stunden des herausfordernden Corona-Jahres 2020. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gibt dem Radiosender NDR Info ein Live-Interview. Morgens um kurz nach 9.


Foto: Ronald Sawatzki/Senatskanzlei Hamburg

Bevor wir auf den Inhalt schauen - zwei akustische Störfaktoren: Zum einen hört man bei Tschentscher seltsame Hintergrundgeräusche. Rascheln, Schniefen, Rumpeln in der Nähe des Mikrofons. Eine unnötige Unruhe also, die ablenkt. Und Tschentscher „ähmt“ sich durch die erste Hälfte des Gesprächs, als hätte er kaum je über Corona-Maßnahmen gesprochen. Das stört den Sprachfluss und ist beim Zuhören mitunter mühsam.

Inhaltlich hat der Bürgermeister aus meiner Sicht drei Chancen verpasst.

1. Chance: Ich-Botschaften auf persönliche Fragen. Der SPD-Politiker beantwortet zwei Fragen mit einem „Wir“, die sehr gut auch mal ein „Ich“ vertragen hätten. Die Fragen lauteten „Was waren für Sie die größten Herausforderungen in diesem Jahr?“ und „Haben Sie sich als Krisenmanager gefühlt?“ Sich dann in ein nicht näher erläutertes „Wir“ zu flüchten, ist schade. Man kann es als hanseatische Zurückhaltung des Teamplayers Tschentscher deuten. Allerdings wäre ein solches Interview zum Jahresende eine Gelegenheit gewesen, auch den Menschen (und Mediziner!) Tschentscher mal zu hören. Chance verpasst.

2. Chance: die Zielgruppe erreichen. Klar, Tschentscher ist für Hamburg zuständig. Das darf er auch gern mehrere Male in seinen Botschaften deutlich machen. Aber NDR-Info sendet für den ganzen Norden – und nicht etwa für Bayern. Bayern bzw. der Süden ist in seinen Antworten aber sehr präsent. Schöner wären deutlich mehr Beispiele oder Fakten aus dem NDR-Sendegebiet (Schleswig-Holstein, Niedersachen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern), sonst gilt auch hier: Chance verpasst!

3. Chance: über die Köpfe hinweg. Mein größtes Problem, als ich das Interview live im Auto hörte, ist aber die Wortwahl (die z.T. mit der verpassten Chance Nr. 1 zusammenhängt). Tschentscher spricht von Präzedenzfall, Konstellation, Metropolregion, Zielkonflikt, Planungssicherheit und Präsenzpflicht. An keinem der Wörter an sich ist etwas auszusetzen. Doch in der Summe schaffen sie ein Abstraktionsniveau, das es anstrengend macht zu folgen. Was er sagt, klingt weder persönlich noch packend oder interessant. Eher austauschbar. Somit werden seine wichtigen Botschaften über die Köpfe der Zuhörer hinwegrauschen. Erneut: Chance verpasst!

Da ist also noch Luft nach oben für das neue Jahr 2021!

Der BMTD ist unabhängig, überparteilich und ausschließlich der professionellen Kommunikation verpflichtet. Die Auswahl der Interviewpartner und ihrer Zitate sowie die entsprechenden Bewertungen erfolgen ausschließlich nach den BMTD-Empfehlungen für einen erfolgreichen Auftritt und sind deswegen kein Ausdruck einer politischen Richtung.

Autorin

BMTD

Dr. Katrin Prüfig

Kontakt: www.die-medientrainer.de

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