Robert Habeck bei der FAZ im Erklärbär-Modus
Katja Schleicher, 03.02.2025
Quelle aller Fotos auf dieser Seite: Screenshots
Robert Habeck hat Lust auf diese Veranstaltung, das ist sicht- und hörbar. Ein bisschen von der Gemütlichkeit seiner Küchentisch-Interviews hat er mitgebracht.
Was gleichzeitig ein schmaler Grat ist: Denn in diesem F.A.Z.-Rahmen ist eher die Projektion des möglichen künftigen Deutschland-Lenkers gefragt. Damit es dem Publikum möglich wird, die einzige für Wahlen entscheidende Frage zu beantworten: Traue ich ihm dieses Amt zu?
Habeck weiß seine Sympathie- und Nahbarkeitspunkte beim Publikum gewinnbringend einzusetzen. Spätestens nach 30 Minuten aber möchte man ein paar dieser Punkte gegen ein paar klare Aussagen eintauschen. Möchte ihn geradezu anfeuern: Komm schon, Robert, mach mal ne klare Ansage! “Mit mir als Bundeskanzler sorgen wir dafuer, dass...“ Oder: “Das will ich durchsetzen, das ändert sich für Euch...” Stärker: “mit uns das” oder eben “das mit uns nicht”. Es braucht mehr dieser klaren Statements. Wähler brauchen Orientierung.
Man merkt, wieviel in seinem Kopf herumgeht. Wie er immer wieder ansetzt, um einen komplizierten Sachverhalt einfach zu erklären. Und sich leider sehr oft in Halb- und Schachtelsätzen verirrt und in der Aussage scheitert. Im Moment der Bühne ist das für das Publikum nicht relevant. Eher sogar verwirrend. Müssen wir Wähler alles ganz genau im Detail wissen? Nicht wirklich. Was wir aber ganz genau wissen wollen: Wofür soll ich sie denn wählen? Und das bleibt bei aller Sympathie vage. Konsequenz und Nachdruck fehlt. Das hätte er vorbereiten können. Nein. Müssen.
Hier hilft die bewährte Rede-Anleitung von Kurt Tucholsky: Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze. Auch oder gerade dann, wenn komplizierte Sachverhalte verdeutlicht werden sollen. Raus aus dem Schachtelsatz! Die Sache an sich ja schon kompliziert genug, da muss es der Satzbau nicht auch noch sein… Was außerdem hilft: Konjunktive parken und durch Aussagen ersetzen. Siehe Orientierung schaffen fürs Wahl-Volk.
Zwischen ihm und Heike Göbel herrscht Grundsympathie. Was seinen Job leichter macht. Schwierig wurde es, als Frau Göbel zunehmend fahrig wird und ihn auch unangenehm unterbricht. Habeck bleibt cool und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Learning fürs Medientraining: Nicht jede Vertreterin der schreibenden Zunft ist automatisch eine gute Interviewerin. Je besser man das ausblenden kann, desto wirkungsvoller kann man antworten.
Zu den Äußerlichkeiten: Zwei Tische mit sehr viel Getränken schaffen ein bisschen viel Distanz. Dafür sind die Bühnen-Stühle sehr gut ausgewählt. Nicht zu bräsig-bequem (Merz), aber stabil genug. Auch solche Details machen Wirkung aus.
Ton in Ton angezogen wirkt Habeck sehr zurückgenommen modern. Trotzdem, liebe Männer (und auch Herr Habeck): Socken bitte immer lang genug, damit man auch noch Socke sieht, wenn beim Beineüberschlagen die Hose nach oben rutscht.
Dafür sorgt das Bügelmikrofon für genügend Freiheit der Arme und Hände. Handmikrofone beschränken die Bewegungsfreiheit immer. Bei Körpersprach-Minimalisten wie Kanzler Scholz (in derselben Veranstaltungsreihe) fällt das weniger ins Gewicht, bei Habeck hätte es gestört.
Körpersprachlich bleibt er Herr der Lage und in seiner Mitte. Robert Habeck bespielt alle gleichermaßen: die Journalistin Heike Göbel, das Publikum online und das im Saal. Zumindest so lange er nicht ins Labyrinth seines eigenen Kopfes abgleitet und Details erklärt.
Die körpersprachliche Öffnung und damit der direkte Kontakt zum Publikum ab der Mitte der Veranstaltung helfen dem Gesamt-Eindruck. Nettes, weil menschliches Detail: Das Mikro war sehr eng an der Wange angelegt, es schien Habeck zu drücken. Die Hälfte der Veranstaltung hält er damit durch. Als es ihm zu unbequem wird, ändert er es. Kleine Geste, grosse Wirkung: „Ich kann mich hier selber gut einrichten.”
Man spürt durchgängig, wie ernst es Habeck meint mit seiner politischen Aufgabe und dass er sich auf keinen Fall aus Verantwortung schleichen will. Damit ist er auf dieser Bühne sehr glaubwürdig.
Also, mehr Logos, bitte. Ethos und Pathos nehmen wir Ihnen ab, Herr Habeck.
Der Aufzeichnung des gesamten Gesprächs finden Sie auf dem YouTube-Kanal der FAZ:
https://www.youtube.com/watch?v=1IHeWtfyEaM
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